Der Ulf un:verpackt Laden in der Nähe des Frankfurter Doms
Der Ulf un:verpackt Laden in der Nähe des Frankfurter Doms

Ulf un:verpackt! - zweiter Laden in Frankfurt eröffnet

„Dinge, die man wegwirft, sind nicht weg, die sind nur woanders“

Anna Scheffold
hallofrankfurt
Published in
8 min readNov 3, 2020

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“Warum ist es eigentlich so oft so schwierig, die richtigen Dinge zu tun?” Das habe ich mich ehrlich gesagt beim Thema Einkaufen und Ernährung schon mehr als ein Mal gefragt.

Vielleicht kennst du das: Auf dem Heimweg von der Arbeit noch schnell was einkaufen, es ist schon spät, eigentlich hat man auch keine Lust, dafür aber Hunger. Also landet im Korb, was halt gerade attraktiv ausschaut.

Das schlechte Gewissen kommt dann zuhause, wenn man die vielen Lebensmittel in Plastikverpackungen aus der Tasche räumt. Aber wie lässt sich das ändern? Denn der Mensch ist nun mal träge und Gewohnheiten sind eine fiese Sache — sogar wenn man ein Bewusstsein für dieses Problem hat.

“In Deutschland wurden 2018 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsmüll ‚entsorgt‘, das sind 227kg pro Kopf — Tendenz steigend.” — Claudia Nauth / Ulf un:verpackt

Mitte Oktober dann ein wunderbarer Zufall: Eine Nachbarin erzählte mir, dass es beim Lokalbahnhof nun einen “Ulf “gibt. Neben dem Ulf in der Innenstadt und gramm.genau in Bockenheim nun also der dritte Unverpackt-Laden und ENDLICH in Sachsenhausen.

Und wenig später stand ich mit einem Korb voll leerer Tupperdosen in dem Laden, der wie aus einem anderen Universum wirkt im Vergleich zu den üblichen Supermärkten….

Claudia Nauth im Ulf un:verpackt Laden

Angesprochen auf den neuen Laden und die Potenziale berichtet mir Claudia Nauth aus dem Ulf-Team:

“Seine Lebensmittel kauft man am liebsten da, wo man wohnt, sprich in der Nähe. So ging es uns früher auch…”

Im Ulf in der Altstadt gibt es viele Kund:innen, denen Zero Waste oder Müllreduktion schon ein Anliegen war, bevor es den Laden gab. Mangels einer Möglichkeit in ihrem Stadtteil oder sogar ihrer Kleinstadt nehmen diese Leute zum Teil echte Wege auf sich, um konsequent Plastik zu vermeiden.

In Sachsenhausen kämen nun viele Menschen in den Laden, denen das aus den unterschiedlichsten Gründen zu viel war. Ich bin also nicht allein mit meiner Einstellung, dass ich zwar unverpackt einkaufen möchte, dafür weitere Wege aber eben nicht immer machbar sind.
(Ganz davon abgesehen, dass man sich zwei Mal überlegt von Dribbdebach rüber nach Hibbdebach zu fahren…😉)

Mitten in Corona-Zeiten ein stationäres Geschäft eröffnen? Ist das nicht verrückt?

Das konnte ich mir beim Interview mit Claudia natürlich nicht als Frage verkneifen…

“Klar, Corona hat vieles verändert, auch bei uns. Wir hatten die Zusage für das zweite Geschäft im März zunächst mal auf Eis gelegt und wollte warten ‘bis der Spuk vorbei sein würde‘. Schnell war klar, dass COVID-19 uns länger beschäftigen würde, und dass es jetzt erst recht einen erhöhten Bedarf geben würde.

Das Müllvolumen ist seit März nochmal drastisch angestiegen. Dazu braucht man keine Statistik, der Blick in eigene Mülltonnen reicht.

Vieles wird online bestellt und dafür endlos verpackt. Homeoffice, Schulschließungen und geschlossene Restaurants haben die Menschen — jeden für sich! — zuhause kochen lassen oder es sich alternativ dazu nach Hause liefern lassen (natürlich Einweg verpackt, wie sonst?).

Unterm Strich können wir sagen: Ja, es ist sehr wohl ein Risiko und ja, wir sind guter Dinge, dass es trotzdem funktionieren wird.”

Jetzt aber nochmal ganz von vorne… mit unseren 5 Fragen an die Macher der beiden Läden.

5 Fragen an Ulf un:verpackt!

1. Wer seid ihr?

Wir sind Ulf un:verpackt! Hinterm Ulf verbergen sich Claudia und Matthias und ein Team aus zurzeit 8 engagierten Mitarbeiter:innen.

Das Team von Ulf un:verpackt im Laden in Sachsenhausen
Ein Teil des gut gelaunten Ulf-Teams im neuen Laden in Sachsenhausen

Wir haben vor einigen Jahren damit begonnen, unseren eigenen Konsum kritisch zu hinterfragen, Müll zu vermeiden und insbesondere dem Plastik beim Einkauf den Kampf anzusagen. Begonnen hat alles mit einem Radio-Feature zum Thema Plastikmüll & Zero Waste…ja und einem Blick in eigene Mülltonne.

2. Was macht ihr?

Wir betreiben 2 Unverpackt Läden in Frankfurt. Der erste Ulf un:verpackt! in der Frankfurter Altstadt ging im Juli 2019 an den Start, Nummer 2 folgte dann im September 2020 in Sachsenhausen am Lokalbahnhof.

Bei uns kann man plastikfrei und nachhaltig das einkaufen, was es anderswo nur mit viel unnötiger Verpackung gibt. Also, jede Menge Trockenlebensmittel in Bio-Qualität, möglichst regional, in genau der Menge, die man tatsächlich braucht. Dazu kommen Reinigungsmittel, Hygieneprodukte und nachhaltige Haushalts- und Alltagshelfer — von der Gemüsebürste über die Edelstahltrinkflasche und das Teelicht aus Altfetten ohne Aluhülse bis hin zum Klopapier.

Unsere Devise: Müll, der gar nicht erst entsteht, muss auch nicht entsorgt werden!

3. Für wen macht ihr das?

Wir machen das für Alle, die nach alternativen — Ressourcen schonenden — Einkaufsmöglichkeiten in Frankfurt suchen. Für die wachsende Gruppe von Menschen, die sich die vielen Bilder und Berichte über eine zunehmend vermüllte Erde zum Anlass genommen hat, umzudenken und bei sich selbst anzufangen möchte, was zu verändern. In Deutschland wurden 2018 18,9 Millionen Tonnen Verpackungsmüll ‚entsorgt‘, das sind 227kg pro Kopf — Tendenz steigend.

Dabei muss man sich klar machen: „Dinge, die man wegwirft, sind nicht weg, die sind nur woanders“. Diese Einsicht wird zum Glück größer und darum konnten wir nach nur einem Jahr unser Angebot in Sachen unverpackter Einkauf auf Sachsenhausen ausweiten.

Für uns zählt, dass man überhaupt mal anfängt. Bis zu ‘Zero Waste‘, also null Müll, ist es ein weiter Weg. Wenn aber jeder auch nur ein bisschen Müll bei sich einspart, dann ist schon einiges erreicht.

4. Wie engagiert ihr euch in der Community?

Natürlich möchten wir dazu beitragen, den Kreis derjenigen, die sich Gedanken über ihren Konsum und ihren Müll, über die Herkunft ihrer Lebensmittel und Konsumgüter zu machen, zu erweitern. Dazu suchen wir gerade nach alternativen Plattformen, denn Schülergruppen im Geschäft oder Vorträge / Workshops in Schulen und Firmen etc. sind im Moment durch das Corona Geschehen, schlecht möglich. Klar, einiges geht schon über Zoom…

Recycling Workshops, Intros für Einsteiger in Sachen Müllvermeidung, aber da muss noch mehr kommen. Gerade jetzt, denn das Leben im Lockdown hinterlässt noch mehr Einwegmüll als es vorher schon gab.

Was wir sonst noch machen? Wir vernetzten uns z.B. im Unverpackt Verband, im Regionalverband, engagieren uns im Rahmen der EWAV (europäische Woche der Abfallvermeidung), wir bieten Schülerpraktika an usw.

Das Wichtigste ist und bleibt aber die undogmatische Beratung in den Geschäften…jeder, der uns zufällig entdeckt, kann sich erstmal in Ruhe umschauen, alles fragen, Zweifel äußern — wir missionieren niemanden!

5. Wo kann man mehr über euch erfahren?

Am besten in den beiden Läden in der Altstadt und in Sachsenhausen am Lokalbahnhof. Hier stehen wir gerne Rede und Antwort.

Ansonsten natürlich über unsere Website, Instagram etc.

Noch mehr Fragen? Hier geht’s tiefer ins Thema…

Wie läuft das eigentlich, wenn man unverpackt einkaufen möchte?

“Neue Kund:innen sind manchmal etwas verunsichert, denn unverpackt einkaufen geht ja nicht wirklich spontan.” berichtet Claudia.

Die Tipps für neue “Ulfer”:

  • den Einkauf planen und vorbereiten.
  • Gefäße nutzen, die man schon zuhause hat, z.B. Tupperdosen, Netze, Gläser.
  • überlegen, was man wirklich braucht und wieviel davon.
  • beim ersten Besuch etwas mehr Zeit einplanen, um sein System für seine Produkte zu entwickeln. Das braucht vielleicht 2–3 Einkäufe, dann ist das schnell eine neue Routine.
  • Mit Spaß an die Sache gehen! Das eigene Einkaufsverhalten mal genauer zu betrachten kann neue Erkenntnisse und Ideen bringen.

Was bekomme ich im Laden, in welcher Qualität und wie entscheidet sich überhaupt, was ins Regal kommt?

Es gibt im Ulf eine Reihe von Einkaufskriterien, die im besten Falle alle berücksichtigt werden können. “Das ist mal leicht …und mal weniger leicht ;-)” sagt Claudia.

Das Ulf un:verpackt Sortiment

Kriterium 1: nachhaltige Bio-Lebensmittel

Ein Beispiel: Ein Bio-Lebensmittel, das um die halbe Welt geschippert wird und dabei einen Mega CO2 Fußabdruck hinterlässt, obwohl es sich um eine Frucht handelt, die auch hierzulande gut wächst, ist aus Sicht des Ulf-Teams nicht nachhaltig. Für Bohnen, Linsen, Sonnenblumen und Leinsamen müsste man nicht bis nach China oder sonst fahren. Die gibts auch hier, ob in Bayern oder in der Wetterau.

Wenn immer möglich und verfügbar, werden also lokale / regionale Bio-Produkte bevorzugt.

Kriterium 2: Fair hergestellt

Faire Preise: Sowohl der Bio-Betrieb in Oberhessen als auch die Cashew-Kooperative in Burkina Faso leisten harte Arbeit, die fair bezahlt werden muss. Die Wertschöpfung gehört dahin, wo gearbeitet wird und produziert wird. Darum ist Fairtrade bei den Produkten wichtig.

Kriterium 3: so wenig Müll wie möglich

Ja und — last but not least — das Thema Verpackung — die Königsdisziplin der Unverpackt-Läden. Ziel ist, so wenig Plastik und so wenig Einwegverpackung wie möglich in der Lieferkette zu haben.

Bemerkenswert dabei: Viele Bio-Großlieferanten stellen sich zunehmend auf Unverpackt Läden ein, denn zum Glück werden es immer mehr. Das schafft Nachdruck. Damit das funktioniert, bezieht der Laden viele Dinge in großen, mehrlagigen Papiersäcken, in Pfandeimern, aber natürlich ist da auch etwas Plastik dabei, wenn die Lebensmittelhygiene (noch) nichts anderes zulässt. Entscheidend ist am Ende die Relation zwischen Nahrungsmittel und Plastikhülle, damit etwas in die Läden kommt.

“Und wenn es was nicht so gibt, wie wir es gerne hätten, haben wir es eben nicht im Sortiment. Vielleicht braucht man es ja auch gar nicht wirklich?”

Zum Schluss habe ich Claudia noch vor ein Gedankenspiel gestellt…

Wenn es in ein paar Jahren noch viel mehr Unverpackt-Läden bzw. Unverpackt-Angebote in klassischen Supermärkten in FFM gäbe — wie fändet ihr das?

Claudia dazu: “Dieses Gedankenspiel beschäftigt unweigerlich jede Gründer:in im Unverpackt Segment. Was wird, wenn die Großen nachziehen? Können wir uns dann noch halten? Von uns auch ein klares JA! Mehr noch: es wird aus unserer Sicht noch mehr Menschen für das Thema Müllvermeidung sensibilisieren.

Das ist gut so! Wir gehen davon aus, dass die Vision der kleinen Läden, die übrigens auch die es Unverpackt Verbandes ist, und die sich in unseren Einkaufskriterien klar widerspiegelt, über unverpackt Einkaufen im Supermarkt hinausgehen wird. Der richtig gute Bioladen hat sich ja auch gegenüber den Biosupermärkten behauptet.”

Ich kann nur sagen: Hut ab vor der visionären Arbeit dieses Teams, viel Erfolg bei beiden Läden und natürlich Danke dafür, dass ich jetzt fußläufig unverpackt vegane Gummibärchen einkaufen kann :-)

Noch mehr Infos zu Ulf un:verpackt

Website

Den neuen Laden in der Darmstädter Landstraße findest du hier:

Den Ulf in der Innenstadt findest du in der Nähe des Doms:

Ich wohne nicht in Sachsenhausen oder der Innenstadt aber möchte unverpackt einkaufen

Dann ist für dich vielleicht gramm.genau eine gute Adresse. Der unverpackt-Laden in Bockenheim mit Café ist definitiv auch ein 💚-Place für hallofrankfurt.

Ein Interview mit dem Team findest du hier:

Last but not least: Ich wohne nicht in Frankfurt aber finde unverpackt einkaufen gut

Schade, dass du nicht in dieser wunderbaren Stadt wohnst (aus vielen Gründen). Unverpackt einkaufen kannst du aber auch in vielen anderen Städten. Auf dieser Seite findest du Unverpackt-Läden in ganz Deutschland.

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